18. April 2019

„Andere Kunden kauften auch…“ – Was können Empfehlungsdienste in Zukunft noch leisten?

Wer erinnert sich heute noch daran, wie es der Normalfall war, CDs in den Regalen der Plattenläden durchzublättern, um etwas Neues oder Interessantes zu entdecken!? Auch die Musikexperten hinterm Tresen spielten dabei oft eine wichtige Rolle, wenn es darum ging, eine Empfehlung zu bekommen.

Im Zeitalter von Big Data, AI und Machine Learning ist der Gang in den Plattenladen eher Nostalgie als Norm und Empfehlungen basieren auf unserem persönlichen Geschmack. Welche Relevanz haben Empfehlungsdienste bzw. Recommendation-Systeme in der aktuellen Marketing-Landschaft? Wie verändern dabei Methoden wie Machine Learning die Empfehlungsdienste selbst und unser eigenes Verhalten?



So funktionieren Empfehlungsdienste


„Wenn Ihnen das gefallen hat, dann gefällt Ihnen auch…“ Die Produktempfehlungen auf Shopping-Seiten wie Amazon, Content-Anbietern wie Zeitungen und Magazinen oder auf Streaming-Seiten wie Netflix oder Spotify sind die bekanntesten Beispiele für Empfehlungsdienste. Das Prinzip, auf denen diese Empfehlungsdienste basieren, ist dabei immer ähnlich, auch wenn sie sich in der Funktionsweise unterscheiden. Denn im Kern basieren Recommendation-Systeme auf dem Prinzip der Ähnlichkeit.

Empfehlungsdienste beziehungsweise „Recommendation-Services“ – manchmal auch „Recommender Engines“ genannt – gibt es in fünf verschiedenen Ausprägungen als:

  • Collaboratives Filtersystem: Dabei wird der Geschmack der Nutzer auf Basis von Entscheidungen anderer Nutzer prognostiziert.
  • Content-basiertes Filtersystem: Wem ein Produkt oder Content mit bestimmten Eigenschaften gefällt, mag aller Wahrscheinlichkeit nach auch Produkte oder Content mit ähnlichen Eigenschaften.
  • Demographie-basiertes System: Dabei werden auf Basis von anonymisierten Kundendaten alle neuen Kunden nach unterschiedlichen Kategorien klassifiziert. Je nach Alter, Geschlecht oder anderen Eigenschaften können dann bestimmte Präferenzen zugeordnet werden.
  • Wissensbasiertes System: Hierbei wird auf Basis der individuellen Einkaufshistorie abgeleitet, welche Bedürfnisse und Wünsche ein Kunde hat und welches Produkt speziell zu ihm passen könnte.
  • Hybrides System: Einer Kombination aus den bisher genannten Systemen.


Verbreitung und aktuelle Anwendung von Empfehlungsdiensten


Die ersten beiden Typen sind nicht nur die ältesten der hier aufgeführten Recommendation-Systeme, sondern auch die am häufigsten eingesetzten. Aktuell liegt die Renaissance dieser beiden Typen aber auch an den inhärenten Problemen, vor die EU-DSGVO Unternehmen und Marketer stellt.

Die EU-DSGVO stellt insofern ein Ungleichgewicht in der Marketinglandschaft her, als sie die großen, nicht-europäischen Technologie-Konzerne in ihrer Entwicklung nicht hemmt – viele europäische Unternehmen jedoch schon. Denn selbst wenn Amazon oder Google zum Trainieren eines Algorithmus nicht auf die Daten seiner europäischen Kunden zurückgreift, können sie von den Ergebnissen der Analysen auch in diesen Märkten profitieren.

Ist Geschmack ausschließlich mit Ähnlichkeit erklärbar?


Der Paradigmenwechsel, um den es hier geht, ist durchaus signifikant. Denn Software basierte bislang nicht auf selbstlernenden Systemen. Diese sind zukünftig jedoch eine weitere Kategorie, die in die obere Aufreihung aufgenommen werden müsste. Aus heutiger Perspektive stellen sich aber auch noch weitere Fragen – und zwar jenseits der technologischen Umsetzung.

Denn wenn überall das Prinzip der Ähnlichkeit herrscht, entstehen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit Filterblasen, in denen wir uns zunehmend bewegen. An anderer Stelle habe ich darüber nachgedacht, warum es gut und sinnvoll ist, Filter Bubbles immer wieder auch zum Platzen zu bringen. Denn allein ein kurzer Blick in den Kleiderschank oder unsere Musik-Playlists beweist, dass Ähnlichkeit nicht das einzige Prinzip ist, nach der wir unsere Entscheidungen treffen.


“Wer glaubt, dass das Prinzip der Ähnlichkeit als Erklärungsansatz für #Empfehlungsdienste ausreicht, muss zum Gegenbeweis nur einen Blick in den eigenen Kleiderschrank werfen.“



Die aktuelle und zukünftige Relevanz von Recommendation-Systeme


In der Marketing-Landschaft nehmen heute Recommendation-Systeme eine wichtige Rolle ein. Sie sind ein hervorragendes Tool, um die Customer Journey zu steuern, die eigene Relevanz zu betonen und beispielsweise die Aufenthaltsdauer von Kunden auf der eigenen Seite zu verlängern. Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Interaktionsmöglichkeiten zwischen Kunde und Angebot werden erhöht, der Umsätze gesteigert und vor allem die Customer Journey individualisiert.

Gleichzeitig muss gesagt werden, dass wir angesichts dessen, was technisch möglich ist, aktuell hinter dem zurückbleiben, was möglich ist. Das wird vor allem deutlich, wenn wir uns vor Augen führen, was durch den Einsatz von AI und Tracking bei mobilen Geschäftsprozessen möglich ist. Genau an dieser Stelle kommen die neuen Möglichkeiten in Spiel, die uns AI und Machine-Learning-Algorithmen ermöglichen.



Warum mobile Geschäftsprozesse Empfehlungsdienste in Zukunft noch relevanter machen


Denn gerade in einer Zeit, in der Marketing-Abteilungen in der Regel über eine große Menge an Daten verfügen, ist es angeraten, diese nach Mustern und Auffälligkeiten zu untersuchen. Denn während viele Recommendation-Systeme heute in der Regel auf dem Prinzip der Ähnlichkeit aufbauen, können intelligente System darüber hinaus gehen. Entscheidend ist dabei ist, diese Erkenntnisse nicht isoliert zu betrachten, sondern mit anderen Informationen zu verknüpfen. Die Frage, ob eine Empfehlung als relevant erachtet wird, hängt nicht nur von Geschmacksfragen ab. Ganz entscheidend ist auch, an welchem Ort ich mich gerade befinde.



“#Empfehlungsdienste werden in Zukunft gerade dadurch noch relevanter, wenn es gelingt, sie mit #mobilen #Geschäftsprozessen zu verknüpfen. “



Empfehlungsdienste und ihre Relevanz & Akzeptanz


Der beste Empfehlungsdienst bringt nichts, wenn die Grundlage nicht vorhanden ist: Relevanter Content, eine ausreichende Menge von Produkten, Kaufdaten oder Wiederkaufszyklen. Vor allem die umfassende Analyse aller verfügbaren Daten ist hier ausschlaggebend. Viel zu oft wird beispielsweise der Kauf als Ereignis in die Auswertung nicht miteinbezogen. Das konnte ich selbst kürzlich feststellen, als ich auf der Suche nach einer Bürolampe war. Während meiner Orientierungsphase wurden mir zuverlässig passende Angebote unterbreitet. Allerdings bekam ich auch weit über den Kaufzeitpunkt hinaus weiter Empfehlungen. So verliert Werbung ihre Relevanz und auch Akzeptanz.

Damit Empfehlungsdienste im vollen Umfang funktionieren kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Empfehlungsdienste zeigen, welchen Digitalisierungsgrad ein Unternehmen hat. Denn sie benötigen zwingend eine ausreichende und vor allem aktuelle Datengrundlage und einen Omni-Channel-Marketing-Ansatz. Zudem ist es hilfreich, wenn bestimmte Data Analytics Standards bereits implementiert sind. Insbesondere ein System zur Kundensegmentierung hilft enorm, wenn es darum geht, gezielt und individualisiert Empfehlungen auszusprechen.



Der richtige Ort und der richtige Moment


Das größte Potential, das ich in Empfehlungsdiensten sehe, besteht in ihrer intelligenten Verknüpfung mit anderen Bereichen der Marketing-Landschaft. Mobile Geschäftsprozesse und Methoden wie Tracking verhelfen einem System, das es bereits seit vielen Jahren gibt, zu einer neuen Relevanz. Denn Empfehlungsdienste erfüllen dann ihren vollen Zweck, wenn sie uns zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort den richtigen Impuls geben. Dann werden sie erst voll und ganz an die leer gewordene Stelle treten können, die früher einmal der Musikexperten im Plattenladen eingenommen hat.