Wertpapiere wie Aktien sind bekanntlich handelbare Geschäftsanteile von Unternehmen. Dadurch lassen sich die Anteile einem quantifizierbaren Wert zuordnen und an Börsen handeln. Ich frage mich: Warum passiert dasselbe nicht auch mit Immobilien? Zwar gibt es bereits die sogenannten Immobilienaktien. Jedoch handelt es sich dabei um ein relativ kleines Marktsegment, in dem die Anteile großer Immobiliengesellschaften gehandelt werden. Und auch in einer anderen Hinsicht sind Immobilien schon ein wesentlicher Bestandteil von Finanzprodukten: Als Gegenstand von Krediten und Schuldtiteln werden sie ebenfalls seit geraumer Zeit gehandelt.
Doch die Blockchain-Technologie und insbesondere Smart Contracts ermöglichen heute eine neue Perspektive, wenn es darum geht, Immobilien zu handelbaren Gütern zu machen. Denn schließlich gilt immer noch: Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Darum liegt es auf der Hand, dass auch Immobilien zu digitalen Assets werden. Die Frage lautet nicht mehr ob, sondern nur noch wann dies passieren wird und welche Voraussetzungen dafür noch geschaffen werden müssen.
Immobilie und Unternehmen im Vergleich
Zuallererst stellt sich natürlich die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, einzelne Immobilien oder Immobilienportfolios zu handeln. Dabei lassen sich durchaus Parallelen beispielsweise zwischen Gewerbeimmobilien und einem öffentlich gehandelten Unternehmen feststellen. Beide sind auf das Ziel ausgerichtet, Gewinn zu erwirtschaften. Dazu müssen sie entsprechend entworfen sein, effizient und nachhaltig betrieben werden oder im Fall von Wohn- oder Bürogebäuden gut vermarktet werden. Um den Wert eines Gebäudes zu erhalten oder zu steigern, sind regelmäßig Investitionen in Modernisierung oder Renovierung notwendig.
Immobilien bringen im Vergleich zu Unternehmensanteilen sogar wesentliche Vorteile mit sich. Besonders Bestandsimmobilien mit bestehenden langfristigen Mietverträgen bedeuten eine stabile Einnahmequelle und kalkulierbare Risiken. Welches Potenzial im direkten Handel von Immobilien liegt, wird zudem schnell klar, wenn man nicht nur einzelne Immobilie betrachtet, sondern ein ganzes Konglomerat beispielsweise mehrerer Produktions-, Gewerbe- oder Wohnimmobilien.
Die Blockchain und die Token Economy
Damit stellt sich die entscheidende Frage: Wie lassen sich Immobilien handelbar machen? Eine vielversprechende Lösung liefert die Blockchain-Technologie bzw. die „Tokenisierung“. Im Prinzip kann alles zu einem Token werden und zu einem handelbaren digitalen Asset werden. Selbst so abstrakte Dinge wie Aufmerksamkeit werden mit Tokens quantifizierbar und handelbar wie sich am Beispiel des Basic Attention Token (BAT) demonstrieren lässt.
Neben den Utility-Tokens, zu denen alle Kryptowährungen zählen, gibt es die sogenannten Security-Token. Manchmal werden diese auch als Asset oder Investment Token bezeichnet. Sie vermitteln finanzielle Ansprüche gegenüber den Emittenten. Sie können auch zur Wahrnehmung des Stimmrechts dienen, sofern dieses gemeinsam mit dem Token übertragen wird. Prinzipiell können Immobilien Form von Security Tokens an die Börse gebracht werden. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen für die Token Economy bzw. für den Immobilien-Token erst noch geschaffen werden.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Immobilien-Token
Ganz gleich welcher Gegenstand tokenisiert werden soll – ein Augenmerk muss dabei immer auf den rechtlichen Rahmenbedingungen liegen. Dabei gibt es kein festgelegtes Schema, nach dem sich Gegenstände tokenisieren lassen. Vielmehr müssen sich die rechtlichen Anforderungen stets nach dem Gegenstand richten, der tokenisiert werden soll. Bei der Tokenisierung von Wirtschaftsgütern wie Immobilien entstehen hierbei zusätzliche Herausforderungen. Denn die Übertragung von Eigentumsrechten unterliegt Formvorschriften wie beispielsweise der Schrift- oder der notariellen Form.
Neben solchen Besonderheiten sind zudem noch aufsichtsrechtliche Besonderheiten des zu tokenisierenden Gegenstands als auch die Frage der zivilrechtlichen Umsetzung zu berücksichtigen. Das deutsche Zivilrecht lässt beispielsweise ausschließlich die Übertragung von Eigentum eines körperlichen Gegenstandes zu. An virtuellen Gegenständen wie Token kann es demgegenüber kein rechtliches Eigentum bestehen.
Es besteht dringender Handlungsbedarf
Angesichts der rasanten Entwicklung im Bereich der Blockchain-Technologie und der Tokenisierung von Wirtschaftsgütern ist klar: Der Gesetzgeber muss handeln. Eines der drängendsten Anliegen ist dabei sicherzustellen, dass der Inhaber eines Tokens auch Eigentümer bzw. Miteigentümer des tokenisierten Gegenstands ist. Aktuell besteht kein bindender Zusammenhang zwischen Token und (Mit-)Eigentumsrechten.
Da hier offensichtlicher Handlungsbedarf vorherrscht, hat die BaFin bereits eine neue Regulierung angekündigt. Denn gemäß der aktuellen Regelung entfaltet ein Token noch keinerlei Rechtswirkung – und hat so gesehen an und für sich keinen Wert. Er ist nicht mehr als der Eintrag in einem Register auf einer Blockchain. Aktuell entsteht ein Wert erst durch die Zuordnung eines Tokens auf ein Rechtsverhältnis des Gegenstands, auf den er bezogen ist. Ein wichtiger Schritt war die Klarstellung zu § 793 BGB. Die BaFin erklärte, dass sie Token, die vertragliche Rechte zusichern oder weitergeben, aus regulatorischer Sicht als Wertpapier betrachtet.
Ein wichtiger Meilenstein ist in diesem Zusammenhang die Einführung von elektronischen Wertpapieren. Diese könnten auch die Tokenisierung im Bereich der Immobilien vorantreiben. Auch wenn es einen „echten“ Immobilien-Token im Moment noch nicht gibt, sind andere Länder bereits weiter. In einigen angelsächsischen Ländern lassen sich bereits Eigentumsrechte an Immobilien tokenisieren und übertragen. In Deutschland ist dies insbesondere aufgrund der bestehenden Formvorschriften bislang nicht möglich. *1
Die Vorteile der Tokenisierung von Immobilien
Immobilien zu tokenisieren würde zahlreiche Vorteile mit sich bringen. Allen voran, um die Digitalisierung in diesem Bereich voranzutreiben. Das Grundbuch ist ein geradezu idealer Anwendungsfall für die Blockchain. Mit einem Immobilien-Token entsteht zudem ein Anreiz, Gebäude zu modernisieren und gleichzeitig effizient und rentabel zu betreiben. Denn der Wert eines Tokens bildet nicht nur den Wert eines realen Gebäudes virtuell ab, sondern treibt gleichzeitig dessen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit voran.
Darüber hinaus würde ein Immobilien-Token den Immobilien-Markt insgesamt dynamisieren. Investoren müssten nicht zwangsläufig ein ganzes Gebäude kaufen, sondern könnten auch nur einen kleinen Anteil daran erwerben. Dadurch lassen sich neue Käuferschichten erschließen und diese an den Gewinnen beteiligen.
Schließlich könnte die Ausgabe von Tokens auch zur Finanzierung von Immobilien genutzt werden. Von Beteiligungen an Gebäuden und an ihrer zukünftigen Nutzung können demnach beide Seiten profitieren. Erste Versuche in diese Richtung gibt es bereits seit einigen Jahren. Aus den oben aufgeführten Gründen kann es sich jedoch derzeit noch um keine echte Miteigentümerschaft handeln, die beispielsweise auch im Grundbuch eingetragen ist.
Auf dem Weg in die Token Economy
Die Tokenisierung der Wirtschaft ist bereits im vollen Gange. Noch ist offen, ob die deutsche Wirtschaft von Anfang an Teil dieser Entwicklung sein wird – oder diese Entwicklung sogar aktiv vorantreibt. Dabei spielen nicht nur die hier erwähnten ungeklärten rechtlichen Rahmenbedingungen eine Rolle. Auch in technischer Hinsicht ist noch unklar, welche Blockchain letztlich die Grundlage für den Immobilien-Token liefern wird. Derzeit gibt es mehrere mögliche Kandidaten wie beispielsweise die Ethereum-Blockchain oder die Blockchain-Projekte Polkadot oder Cardano.
Ich bin mir sicher, dass es eine Frage der Zeit ist, bis Immobilien auf die Blockchain kommen. Sie an die Börse zu bringen, wäre in diesem Zusammenhang ein wichtiger, innovativer Schritt mit großer Signalwirkung. Dazu braucht es allerdings nicht weniger als die Revolution des Konzepts von der Eigentümerschaft einer Immobilie.
*1 Im Immobilien-Bereich ist derzeit nur die Tokenisierung von Genussrechten sowie von Anleihen möglich. Investoren kaufen dabei im Rahmen eines STOs die Genussrechte / Anleihen mit einer Fiat- oder Kryptowährung. Die Genussrechte bestehen in der Regel in einer Gewinnbeteiligung. Das Genussrecht lässt allerdings keine Vergabe des Stimmrechts oder der sonstigen Einflussnahme zu.